Was macht eine Innenstadt attraktiv?
Der innerstädtische Handel und damit auch Innenstädte an sich müssen den Herausforderungen eines verschärften Kanal- und Standortwettbewerbs begegnen. Betroffen hiervon sind nicht nur die Händler, sondern alle Innenstadt-Akteure.
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Zweifelsohne stellt der wachsende Onlinehandel eine große Herausforderung für den innerstädtischen Handel dar. Das Onlineangebot hat unter anderem zur Folge, dass Besucher seltener in die Innenstadt fahren, um dort einzukaufen, wie auch die Untersuchung „Vitale Innenstädte“ bestätigt. So sucht rund jeder fünfte der befragten Passanten die City nicht mehr so häufig auf, weil er öfter online shoppt.
Doch nicht nur der Onlineboom fordert den innerstädtischen Handel heraus, sondern auch das konkurrierende Einzelhandelsangebot in anderen Städten. Hiervon sind insbesondere kleinere und mittelgroße Städte betroffen. So geben zum Beispiel 44 Prozent der Passanten in Städten mit bis zu 25.000 Einwohnern an, dass sie Bekleidung üblicherweise nicht in der Stadt einkaufen, in der sie befragt wurden, sondern in anderen Städten. Zum Vergleich: Das gilt nur für knapp 17 Prozent der Befragten in Städten mit 200.000 bis 500.000 Einwohnern.
Nicht nur der innerstädtische Handel, sondern alle Innenstadt-Akteure sind also gefragt, die Attraktivität der Standorte zu erhalten bzw. zu steigern, um Anreize für den City-Besuch zu schaffen und die Frequenz so positiv zu beeinflussen.
Innenstädte punkten vor allem mit Ambiente und Flair – Ansprechende Gestaltung ist wichtig
Insgesamt werden Deutschlands Innenstädte von ihren Besuchern im Schnitt mit der (Schul-)Note „drei plus“ bewertet. Dabei hängt die Gesamtattraktivität einer Innenstadt aus Sicht der Besucher von vielfältigen Faktoren ab. Besonders positiv wirken sich dabei das Ambiente und Flair einer Innenstadt auf die Bewertung der Attraktivität aus. Wichtigster Einzelaspekt für das Ambiente und Flair einer Innenstadt sind, aus Sicht der befragten Passanten, die Gebäude der Innenstadt.
Insgesamt schneiden bei der Untersuchung „Vitale Innenstädte“ vor allem Städte gut ab, die mit einem historischen Stadtkern punkten können. Aber auch Städte, die keinen historischen Kern vorweisen können, haben Gestaltungsspielraum, damit Ambiente und Flair positiv wahrgenommen werden. Wichtig dabei sind unter anderem die Instandhaltung der Gebäude und saubere öffentliche Plätze. Zudem sollten auch gestalterisch attraktive Verweilmöglichkeiten nicht außer Acht gelassen werden. Denn auch Grünflächen, Sehenswürdigkeiten, Sauberkeit und Sicherheit der Stadt spielen eine Rolle bei der Bewertung der Attraktivität. So kann eine Innenstadt durch schöne Grünflächen oder andere konsumfreie Verweil- und Ruhezonen mit ebenfalls ansprechend gestaltet werden.
Einzelhandel wichtiger Faktor – Einkaufserlebnisse schaffen
Auch der Einzelhandel spielt eine zentrale Rolle, wenn es um die Vitalität und Attraktivität einer Innenstadt geht und hat – neben Ambiente und Flair – starken Einfluss darauf, wie Passanten eine City wahrnehmen. Dabei sind aus Besuchersicht vor allem die Kategorien Bekleidung sowie Schuhe und Lederwaren ausschlaggebend.
Um einen besonders bequemen Einkauf zu ermöglich, sollte die Verkehrs- und Wegeführung möglichst einfach und barrierefrei gestaltet sein. In diesem Zusammenhang kann es auch ein sinnvoller Schritt sein, dass Einzelhandelsangebot zur Steigerung der Besuchsattraktivität räumlich zu verdichten. So spart man den Besuchern lange Wege von Geschäft zu Geschäft und bietet im Idealfall ein breites Einzelhandelsangebot kompakt im Stadtzentrum.
Um Kunden, die ein Geschäft betreten, zu begeistern und bestmöglich von einem Wiederbesuch zu überzeugen, spielen Einkaufserlebnisse eine wichtige Rolle. Denn wer zum Einkaufen in die Innenstadt fährt, legt auch Wert auf positive Erlebnisse und eine gute Stimmung. Neben einem umfassenden Sortiment, sorgen auch eine ansprechende Laden- und Schaufenstergestaltung – die wiederum auch auf das Innenstadtflair einzahlt – und kompetente Beratung für ein positives Einkaufserlebnis.
Mehrwert durch den Einsatz digitaler Services
Mehrwerte können auch digitale Services bieten, denn aus Sicht ihrer Besucher sollten deutsche Innenstädte kein rein analoger Ort sein. Insgesamt blickt jeder zweite für „Vitale Innenstädte“ befragte Innenstadtbesucher positiv auf digitale Serviceangebote im Stadtzentrum. Dabei ist kostenfreies W-LAN der beliebteste digitale Service:
Rund zwei Drittel der Befragten ist ein kostenfreier Internetzugang wichtig. Aber auch die Möglichkeit, online Informationen über die Geschäfte in der Innenstadt einzuholen oder online bestellte Ware in Geschäften abholen zu können, ist mehr als jedem zweiten Passanten wichtig.
Digitale Services können somit eine Chance für Städte sein, ihre Attraktivität und die Frequenz in ihren Zentren zu steigern, da sie so den Konsumentenwünschen entgegenkommen können. Hierbei ist es natürlich wichtig, zu überprüfen, welche digitalen Services in der eigenen Innenstadt den größten Mehrwert für die Besucher haben.
Einsatz eines Handelskümmerers
Eine weitere Chance liegt in der inter- und intrakommunalen Kooperation. Denn wenn sich Städte abstimmten und kooperieren oder wenn sich in einer Stadt verschiedene Stakeholder und Interessensgemeinschaften zusammentun, können Hebel identifiziert und gemeinsam attraktive (Handels-)Angebote erhalten und verwirklicht werden. Ein Pilotprojekt in diesem Sinne läuft aktuell in Köln. Nach einem Impuls aus dem Handel, haben das IFH Köln, die Wirtschaftsförderung Köln und die IHK Köln das Projekt „Handelskümmerer“ gestartet. Der Handelskümmerer soll vor Ort Interessen bündeln und zu einer stärkeren Vernetzung der Interessensgemeinschaften beitragen, um so die lokale Attraktivität durch die Vermittlung zwischen Kommunen und Handel zu steigern.
Ausblick: Innenstädte sind zum Handeln aufgefordert
Der innerstädtische Einzelhandel und damit auch Innenstädte insgesamt geraten durch die sich wandelnden Rahmenbedingungen zusehends unter Druck. Betroffen hiervon sind nicht nur die Händler, sondern sämtliche Innenstadt-Stakeholder – vom Bürger über die Politik und Verwaltung bis hin zur Immobilienwirtschaft. Städte und Kommunen sind aufgerufen, die Anspruchsgruppen an einem Tisch zu vereinen und bezogen auf die jeweilige Stadt unter Berücksichtigung der Struktur, Entwicklung und Bedarfe der Bevölkerung im Einzugsgebiet sowie der Angebots- und Wettbewerbssituation zukunftsfähige, individuelle Zielgruppen- und Einzelhandelskonzepte zu entwickeln. Die Studie „Vitale Innenstädte“ liefert hierfür wichtige Ansatzpunkte. Wichtig ist, dass Städte ihr Profil als Standort kennen und ausgehend davon Maßnahmen ergreifen, um die eigenen Stärken auszubauen und den Standort attraktiv zu gestalten.
Frage ans IfH: gibt es einen Unterschied zwischen dem Handelskümmerer und dem Citymanager? Wie kann man den Beschreiben?
Hallo Roland Wölfel, vielen lieben Dank für Ihre Frage. Im Rahmen der Dialogplattform Einzelhandel haben wir diesbezüglich folgendes festgehalten: Zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Koordination der Akteure an einem Handelsstandort empfiehlt sich die Installation eines “Handelskümmerers“, der als Schnittstelle und Koordinator zwischen den Akteuren und Akteursgruppen agiert. Dabei ist darauf zu achten, Zuständigkeiten klar abzugrenzen und Handlungsbefugnisse zu definieren. Voraussetzung ist zudem, dass die jeweiligen Aufgabenträger mit „angemessenen“ Personalkapazitäten und Budgets ausgestattet sind. Die Funktion eines “Handelskümmerers“ kann beispielsweise durch das City- und Stadtmarketing bzw. das City- und Quartiersmanagement übernommen werden, welche ihrerseits eine Querschnittsfunktion zwischen den Akteursgruppen einer Innenstadt übernehmen.
ein Handelskümmerer sollte aus dem Handel kommen (Stallgeruch ist im Handel wichtig, um akzeptiert zu werden!) Ein Citymanager darf eine andere berufliche Herkunft haben. Mit über 30 Jahren eigener Erfahrung im EH zeigen mir manche Unternehmen sogar ihre Bilanz, dass würden sie wohl kaum bei einem Citymanager ohne fundierte Handelskenntnisse tun. Die Idee des Handelskümmerers finde spannend.
Lieber Herr Pieperhoff,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an, den ich absolut teile. Ausgeprägte Handelskompetenz und -akzeptanz sind zentrale Voraussetzungen, ebenso wie Stärken im Dialog und in der Vernetzung mit allen relevanten Akteursgruppen.