Handel ist Wandel – diese Aussage ist keinesfalls neu, jedoch ist der Wandel im Handel im digitalen Zeitalter dynamisch wie nie zuvor. Spürbar sind Veränderungen schon heute – sowohl in der Handelslandschaft als auch im Konsumentenverhalten und -denken. Deutliche Spuren hinterlassen dabei nicht nur der wachsende Onlinehandel, sondern auch die zunehmende Verstädterung und der Strukturwandel im Handel. Händler müssen ihre Geschäftsmodelle hinterfragen und Städte ihre Handelsstrategien und Stadtplanungen überdenken.
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Mehr als jedes fünfte Einzelhandelsunternehmen in Deutschland ist in Nordrhein-Westfalen beheimatet – der Anteil dieser Unternehmen am gesamten Einzelhandelsumsatz in Deutschland liegt bei knapp einem Drittel. Unter den eintausend umsatzstärksten Händlerinnen und Händlern in Deutschland haben rund dreißig Prozent ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen. Besonders umsatzstark ist der Händlerstandort Nordrhein-Westfalen im Lebensmitteleinzelhandel und im Bereich der Kauf- und Warenhäuser. Zusammengefasst vereint der Handel in Nordrhein-Westfalen in diesen beiden Segmenten mehr als vierzig Prozent des deutschen Einzelhandelsumsatzes auf sich.
Nordrhein-Westfalen ist damit Handelsstandort Nummer eins in Deutschland. Entsprechend engagiert zeigt sich das Land dabei, die Zukunftsfähigkeit des (stationären) Handels zu stärken und die Unternehmen bei der digitalen Transformation unterstützen. Und das nicht erst seit heute, denn bereits vor über 90 Jahren wurde in Nordrhein-Westfalen mit dem deutschlandweit tätigen Betriebswirtschaftlichen Institut für Einzelhandelsforschung an der Universität zu Köln – aus dem das IFH Köln hervorgegangen ist – das erste Einzelhandelsinstitut in Deutschland gegründet. Die Zeiten damals waren ähnlich turbulent wie heute, die Herausforderungen für den Handel aber andere. Doch damals wie heute treten wir als IFH Köln an, den Handel und seine Standorte erfolgreich im Wandel zu begleiten.
Wie sich die Handelslandschaft in den kommenden Jahren in Nordrhein-Westfalen verändern wird, hat das IFH Köln im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie (MWIDE) des Landes Nordrhein-Westfalen auf Basis umfangreicher Datenanalysen und Expertengespräche untersucht. Einige Erkenntnisse fassen wir im Folgenden für Sie zusammen.
Einkaufen ohne Internet ist für Konsumenten mittlerweile fast undenkbar. Mehr als zwei Drittel shoppen online – Tendenz steigend. Der Anteil der „traditionellen Handelskäufer“, also der Konsumenten, die nicht gerne im Internet einkaufen, ist rapide gesunken. Mit der zunehmenden Onlineaffinität wachsen auch die Onlineumsätze stark. Entsprechend befindet sich der Onlinehandel weiterhin auf Wachstumskurs – auch in Nordrhein-Westfalen. Der Druck auf den innerstädtischen Handel nimmt zu.
Profiteure des Onlinewachstums sind vor allem bekannte Onlineplattformen und -Player sowie professionelle Multi-Channel-Konzepte. Innenstadttypische Handelsformate wie der kleinbetriebliche Fachhandel profitieren – abgesehen von Erfolgen als Marktplatzverkäufer – vom Onlinewachstum bislang kaum. Gleiches gilt auch für Kauf- und Warenhäuser. Hinzu kommen gerade im kleinbetrieblichen Fachhandel häufig Nachfolgeprobleme und ausbleibende Investitionen.
Trendfortschreibungen, Bevölkerungsprognosen und Experteneinschätzungen signalisieren, dass Großstädte und ihre Speckgürtel in Nordrhein-Westfalen in den kommenden Jahren weiter wachsen werden. In kleineren Städten und Gemeinden abseits der Ballungsgebiete hingegen werden voraussichtlich – vorausgesetzt es wird nicht merklich gegengesteuert – immer weniger Menschen leben.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist in Nordrhein-Westfalen bis zum Jahr 2030 ohne Abschätzung der Folgen der Coronakrise mit einem Rückgang von 13.000 bis 20.000 Geschäften zu rechnen. Bezogen auf die aktuell rund 110.000 Einzelhandelsgeschäfte in Nordrhein-Westfalen würde damit fast jede fünfte Verkaufsstelle schließen. Die Coronakrise wird den Prozess beschleunigen und intensivieren. Analog zur regionalen Bevölkerungsverteilung und -entwicklung wird Handel – soweit er über die klassischen Versorgungsfunktionen hinausgeht – zukünftig voraussichtlich vorrangig in attraktiven und hochfrequentierten Standortlagen größerer Städte in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Für den Onlinehandel wird mit einem Marktanteil von knapp 20 Prozent gerechnet.
Konsumenten werden zukünftig immer bewusster zwischen Versorgungs- und Erlebniskäufen unterscheiden und alternative Einkaufskanäle, Handelsstandorte und Handelsunternehmen sehr differenziert wahrnehmen und bewerten. Vor diesem Hintergrund müssen Händler, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen auf verschiedenen Ebenen aktiv sein:
Für die Zukunftssicherung der Handelsbetriebe wird dem Themenfeld „Kundenverständnis, Kundenbeziehung und Kundenbindung“ eine überragende Bedeutung zukommen. Händler sollten ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellen und ihre Kernkompetenzen in Abgrenzung zum Onlinehandel stärken, das Einkaufserlebnis und die Einkaufsbequemlichkeit verbessern, ihre Onlinepräsenz erhöhen und digitale Services implementieren. Dazu sind Daten online und offline zu generieren und im Sinne einer konsequenten Kundenzentrierung auch unter Einsatz von Künstlicher Intelligenz zu nutzen. Ziel muss dabei stets sein, den Kunden echte Mehrwerte zu bieten und sie personalisiert und situationsbezogen über die verschiedensten analogen und digitalen Touchpoints optimal zu aktivieren, zu bedienen und zu binden.
Städte und Gemeinden müssen ihre Rolle als Handelsstandort festlegen und ein attraktives Einzelhandelsangebot gestalten. Dabei müssen Kundenmehrwerte und die Nahversorgung im Blick behalten werden. Außerdem sollte an Handelsstandorten gleichermaßen Ambiente und Flair sowie Erlebnis und Bequemlichkeit geschaffen werden – Leerständen und anderen Missständen sollte aktiv und schnell begegnet werden, Erneuerungsprozesse sind zu unterstützen. Zudem muss in vielen Fällen die Zusammenarbeit der lokalen Akteure ausgebaut und professionalisiert werden. Auch sind logistische Fragestellungen, Stadtumbau und Multifunktionalität in der Stadtplanung stärker und weitsichtiger zu berücksichtigen – Einzelhandels- und Innenstadtkonzepte müssen gegebenenfalls ganz neu gedacht werden.
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