Stadtretter-Podcast

Stadtretter-Podcast #20 – “Vitale Innenstädte 2024”




Stadtretter-Podcast #20

“VITALE INNENSTÄDTE 2024”



Hier ist Folge #20 für Euch!

In dieser Folge des Stadtretter-Podcasts berichtet Dr. Markus Preißner des IFH KÖLN über die Innenstadt-Studie “Vitale Innenstädte 2024“.
Wie gelingt die Innenstadtvitalisierung?
Mit Faktenwissen, einem Handlungsleitfaden und Maßnahmen für Innenstädte und Kommunen wird die Studie und deren Ergebnisse vorgestellt.



Jetzt reinhören


Zum Nachlesen

Intro: Die Stadtretter – Der Podcast

Frank Rehme: Ja, wir haben wieder eine neue Folge unseres Podcasts zum Thema Handel und Innenstädte. Und wir kennen ja alle diesen Singsang zu Weihnachten: Alle Jahre wieder. Da kommt allerdings das Christuskind. Und im Februar singen wir immer gerne: Alle zwei Jahre wieder. Und dann kommt die Studie Vitale Innenstädte. Ja, die größte Passantenbefragung Deutschlands organisiert vom Institut für Handelsforschung in Köln. Und da habe ich gedacht: Mensch, wir wollen doch mal wissen, was hat sich daraus ergeben? Und deshalb habe ich mir jetzt den lieben Dr. Markus Preißner ans Gerät geholt. Hallo Markus, grüß dich.

Dr. Markus Preißner: Hallo Frank, sei gegrüßt. Vielen Dank für die Einladung.

Frank Rehme: Ja, Markus, ihr seid mal wieder so weit. Ich gucke ja auch immer gespannt da drauf, auf die Studie Vitale Innenstädte und ich muss ehrlich sagen: Ihr wart für mich mal ein Trigger in der Vergangenheit. Und zwar haben wir mal das Projekt Future City Langenfeld gemacht. Und da haben wir erst mal die Initiierung aus eurer Studie gewonnen und vor allen Dingen das, was abgearbeitet werden muss in so einem Projekt, auch von eurer Studie eigentlich indirekt vorgegeben bekommen. Und das war wirklich ein goldener Input für unsere Aktivität, die wir in der Stadt Langenfeld da gemacht haben. So, und jetzt seid ihr in der wievielten Auflage eigentlich jetzt unterwegs?

Weiterlesen

Dr. Markus Preißner: Im Grunde haben wir 2014 und dann alle zwei Jahre gestartet mit den Vitalen Innenstädte. Die Historie der Studie ist aber noch viel länger. Mit der BAG Kundenverkehrsuntersuchung haben wir schon in den 70er, 80er Jahren gestartet, vor meiner Zeit.

Frank Rehme: Also. Bevor wir jetzt aber loslegen, Markus, sag doch mal ein paar Worte zu dir, damit unsere Hörerinnen und Hörer wissen, wen ich hier heute ans Mikro geholt habe.

Dr. Markus Preißner: Ja, Markus Preißner, wissenschaftlicher Leiter am IFH Köln und schon seit vielen Jahren rund um das Thema Stadt und Handel unterwegs für das Institut für Handelsforschung, IFH, in Köln.

Frank Rehme: Ja und wir kennen uns auch schon ziemlich lange. Du hast ja auch damals hier mich eingeladen zu Workshops zu dem Thema, wie hieß die Studie noch? Im Auftrag von der Bundesregierung habt ihr doch da einiges gemacht?

Dr. Markus Preißner: Ja, Dialogplattform Einzelhandel beispielsweise.

Frank Rehme: Genau. Richtig. Da war ich ja auch noch so mit in den Workshops mit drinnen. War eine spannende Zeit, aber waren auch gute Ergebnisse, die da rausgekommen sind. Ja, und jetzt die große Frage. Alle zwei Jahre kommt ja immer wieder dabei raus, dass der Handel immer noch der Hauptbesuchsgrund für Innenstädte ist. Und da hat sich was dramatisch dran geändert oder wie fasst du das Ganze zusammen?

Dr. Markus Preißner: Totgesagte leben länger. So kann man es vielleicht ein bisschen zusammenfassen. Einkaufen ist weiterhin Besuchsgrund Nummer eins. Wenn wir uns die letzten Jahre von 2020 bis 2024 ansehen, ist das eigentlich stabil, dass 60 Prozent der Besucherinnen und Besucher sagen: Ja, ich bin hier zum Einkaufen. Das ist das eine. Auf der anderen Seite aber, was wir sehen, andere Aktivitäten gewinnen an Bedeutung bei einer Konstanz des Handels overall betrachtet und da ist insbesondere die Gastronomie zu nennen. In ’24 haben 40 Prozent gesagt: Ja, ich bin hier, um auch gastronomische Angebote in Anspruch zu nehmen. Im Jahr 2020, jetzt waren wir da natürlich dann auch in der Corona Zeit, langen wir bei 26 Prozent, also letztendlich auch pandemiebedingt und dann aber vor zwei Jahren bei 35 Prozent und da haben wir auch fünf Prozentpunkte gewonnen. Sprich, wir sehen hier eine klare Entwicklung, nur mal bezogen auf diese eine Alternativnutzung zum Einkaufen und Shoppen.

Frank Rehme: Jetzt ist das ja folgendermaßen, das heißt ja Passantenbefragung. Geht ihr da wirklich in Innenstädte und fragt die Leute, die da vor Ort in der Stadt sich aufhalten?

Dr. Markus Preißner: Ja, absolut. Also das ist auch extrem wichtig, dass wir die Leute vor Ort finden. Das heißt, wir haben die tatsächlichen Besucherinnen und Besucher. Wir gehen und wir hatten in diesem Herbst 2024 haben wir befragt, insgesamt knapp 69.000 Besucherinnen und Besucher. Also das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Die haben wir dann in über 100 Städten besucht, in den einzelnen Städten, dann an verschiedensten Standorten, bisweilen in den einzelnen Städten acht verschiedene Standorte, verschiedene Befragungstage, einmal unter der Woche und dann immer noch der Samstag, weil wir da dann auch Unterschiede sehen und dass diese Unterschiede, das ist auch das Wichtige bei dieser Passanten Befragung, letztendlich habe ich Auskunft darüber:  Wie sehen eigentlich die Strukturen aus? Wer ist eigentlich tatsächlich in den Innenstädten? Und das fördert auch immer wieder sehr spannende Erkenntnisse zutage. So auch dieses Mal.

Frank Rehme: Ja, aber ich sag mal, wenn man in die Innenstädte schaut, dann meint man ja nicht, dass die Menschen in die Innenstadt gehen, um einzukaufen, weil in Innenstädten ja auch viel Leerstand ist. Sind das hauptsächlich alte Leute, weil du gerade so die Befragten ansprichst? Oder ist da ein großer Mix aus allen eigentlich dabei gewesen?

Dr. Markus Preißner: Also das ist in der Tat eine sehr spannende Frage, die uns auch schon viele Jahre beschäftigt. Und den Vorwurf, den hören wir auch immer wieder. Das ist, wir haben die Dinosaurier in der Innenstadt, damit meine ich jetzt dann zum Beispiel die Handelsbetriebe und wir sehen letztendlich Silberlocken und alles ist relativ grau. Und wenn wir uns jetzt mal die Altersstruktur ansehen über die verschiedenen Altersklassen und legen dann mal die Altersstruktur der Bundesrepublik Deutschland daneben, ja, dann ist das ein 1:1 Abbild dessen, sogar ein bisschen weniger Ältere. Das mag auch gesundheitsbedingt sein. Aber dort sehen wir genau diesen Mix der Altersstruktur, wie wir sie in Deutschland vorfinden, auch in unseren Innenstädten. Und das gilt letztendlich nicht nur bezogen auf das Thema Alter. Das gilt auch und das ist ein ganz wichtiger Punkt, da ist mir auch mal wichtig, dass ich das sagen darf, Online-Shoppende, wenn wir uns die mal ansehen, wie verteilen die sich eigentlich in Deutschland und wie verteilen sie sich in den Innenstädten? Dann haben wir auch da nahezu, nicht ganz identisch, aber nahezu das gleiche Bild. Das heißt, auch die Online-Shoppenden finden wir in unseren Innenstädten, aber mit anderen Erwartungen an, Anforderungen an die Innenstädte, als das derjenige ist, der vielleicht die, seine Einkäufe auch unique in den Innenstädten erledigt.

Frank Rehme: Das ist ja jetzt interessant. Das überrascht mich. Also ich hätte jetzt gedacht, dass ihr die Online-Shopper nicht in der Stadt antrefft, sonst wären sie ja keine Online-Shopper. Viele sind ja welche, die immer online shoppen. Aber ihr habt die auch angetroffen? Das wundert mich jetzt auch.

Dr. Markus Preißner: Ja, wenig. Also jetzt unter diesen Tausenden von Befragten, die wir hatten, sind 79 Prozent Online-Shoppenden.

Frank Rehme: Oh.

Dr. Markus Preißner: Und nach die Statis, Eurostat-Erhebung für 2024 hatten wir den Anteil der Online-Shoppenden in Deutschland unter den Internetnutzern bei 83 Prozent.

Frank Rehme: Da seid ihr fast Pari da.

Dr. Markus Preißner: Absolut, absolut. Das finde ich auch ein gutes Argument und stärkt auch wieder die Rolle der Stadt, der Innenstadt als einen ganz zentralen Lebensbereich in unseren Kommunen.

Frank Rehme: Ja, wie ist denn so die Gefahr, dass man da Leute trifft? Das könnte ja sein, dass die 69.000, die ihr da hattet, alle eigentlich in der Stadt wohnen und dann eh da sind. Oder sind das welche, die von außerhalb extra in die Innenstadt kommen?

Dr. Markus Preißner: Ja, insgesamt kann man sagen, es ist auch hier wieder ein bunter Mix. Also ich glaube, die wirklich InnenstadtbewohnerInnen lagen wir bei roundabout bei 16, 15, 16 Prozent sowas. Stadtbevölkerung rund zwei Drittel und ein Drittel immer von außerhalb. Das ist so eigentlich der Maßstab. Zwei Drittel aus der Stadt, ein Drittel von außerhalb. Und dann gibt es eben die eine Stadt, die ist attraktiver, hat eine höhere Zentralität, da spiegelt sich das auch wieder drin, hat einen höheren Anteil an auswärtigen BesucherInnen und andere Städte dann eben niedriger.

Frank Rehme: Weil du gerade sagtest, so: Totgesagte Leben länger. Ich kriege ja auch immer wieder Anfragen zum Thema: Wie siehst du die Zukunft von Innenstädten? Sind die tot? Muss man da irgendwas anderes machen? Muss man Handel generell zumachen? Innenstädte sind vielleicht zukünftig was anderes. Was ist denn bei euch jetzt rausgekommen, wenn du das mal jemandem auf die Schnelle erzählen wolltest? Was sind die Essentials aus der diesjährigen Studie? Was ist vielleicht sogar anders als bei den Studien vor zwei, vier und sechs Jahren?

Dr. Markus Preißner: Ja was wir jetzt so ein bisschen schon hatten, wir treffen alle in den Innenstädten. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, ob online oder offline, ob jung oder alt. Was für mich persönlich und wir verfolgen ja jetzt nicht nur die mit den Vitalen Innenstädten, sondern haben die unterschiedlichsten Erhebungen, die wir durchführen, kennen entsprechend das Konsumentenverhalten sehr gut. Was mir aber sehr stark aufgefallen ist, wir gehen in den Studien auch dahin, um für die teilnehmenden Städte Stärken und Schwächen zu identifizieren und auch die Treiber zu identifizieren. Und was wir diesmal auch untersucht haben, ist eben, ja, wie stark zahlen einzelne Faktoren auf die Attraktivität einer Stadt ein und ganz oben und das ist vielleicht nicht neu, aber es bestätigt das wieder, es stehen natürlich Punkte rund um das Thema der Aufenthaltsqualität. Da geht es um Sauberkeit, Sicherheit, da geht es um gestalterische Aspekte und so weiter und so fort. Dann gibt es die klassischen Hygienefaktoren. Dazu zählt dann die Erreichbarkeit, egal ob mit dem ÖPNV, mit dem Fahrrad oder mit dem motorisierten Individualverkehr, wie den PKWs. Und was extrem aufgefallen ist bei diesem Mal, wir haben dann mal so Generationenvergleiche gemacht, die Baby Boomer gegen die Gen Z und das so verglichen und es gibt Unterschiede und das sind aber nur Nuancen. Im Grunde ist das Schöne dabei und für die Kommunen dann letztendlich auch, dass eigentlich die Faktoren, wenn man sie richtig ausspielt, die richtigen, die wichtigsten Faktoren bei allen Zielgruppen verfangen, wenn wir uns diesen Generationen Aspekt vor Augen führen. Und das ist sehr positiv und macht die Sache insgesamt einfacher, dennoch brauche ich natürlich zielgruppenspezifische Ansätze. Wir sehen, es werden verstärkt auch Konzepte für jüngere Menschen nachgefragt und da sieht man auch einen hohen Handlungsdruck, dass da noch was fehlt, dass bestimmte Aspekte auch innerhalb des Handels attraktiver auf die Zielgruppen zugeschnitten werden müssen und und und. Aber man sieht eben auch Konsens bei ganz wichtigen Faktoren und das ist in heutigen Zeiten ja nicht selbstverständlich.

Frank Rehme: Jetzt mal ein kurzer Hinweis in eigener Sache. Und zwar könnt ihr die Stadtretter auch unterstützen. Und das ohne einen Cent auszugeben, indem ihr einfach die Stadtretter weiterempfehlt, den Kolleginnen und Kollegen, Freundinnen und Freunden davon erzählt, welch cooles Netzwerk das hier ist. Dann könnt ihr natürlich gerne eine Bewertung im Podcatcher eurer Wahl abgeben. Am besten natürlich immer fünf Sterne und abonniert den Newsletter, dann seid ihr immer bestens informiert. So, jetzt geht’s aber weiter.

Wir hatten ja mal die, ist schon zwei, drei Jahre her, in Mönchengladbach mal eine Studie gemacht, wo wir über 1.000 Jugendliche befragt haben, was deren Erwartung an Innenstadt eigentlich ist. Und so viel anders als bei den Älteren waren die gar nicht. Der einzige, der dazu kam, war, dass sie sagten: Wir wollen mehr konsumfreie Räume haben. So, also wie man so gerne immer sagt: Die Räume der absichtslosen Begegnung. Wie ist eure Erkenntnis? Könnt ihr das ähnlich widerspiegeln?

Dr. Markus Preißner: Absolut, absolut. Also ich hatte schon gesagt, also allen ist die Aufenthaltsqualität natürlich wichtig. Die Bewertung der einzelnen Attraktivitätsfaktoren ist auch ähnlich. Also wir sehen da keine großen Unterschiede. Ich habe mir das parallel hier nochmal aufgerufen. Das Thema Erlebnis, das ist dann etwas wichtiger bei jüngeren Menschen und die traditionellen Werte wie Sauberkeit, Sicherheit und Co. dann eher bei den Älteren. Also wir sehen da keinen großen Unterschiede, was die Attraktivitätskriterien angeht. Wohl aber sehen wir schon Unterschiede bei den Aktivitäten, die in den Innenstädten dann vollzogen werden. Da geht es dann eben bei jüngeren Menschen auch eher mal um Themen wie Freizeit- und Kulturangebot. Da geht es um das Thema Sport vielleicht noch treiben zu können. Natürlich auch um das Thema der Gastronomie. Also da sehen wir schon Unterschiede der Baby Boomer und die Gen Z, die ticken schon einen Ticken anders. Für beide ist Einkauf und Shoppen noch die primäre Funktionalität. Aber gerade wenn wir uns die Gen Z ansehen, da rücken auch andere Aktivitäten näher an das Einkaufen heran.

Frank Rehme: Jetzt hattet ihr ja in der Vergangenheit immer so Schulnoten vergeben. Ich habe mal grad hier so mal schnell recherchiert. Wir hatten in der Vergangenheit 2,7, ist glaube ich eine 3 plus, genau. 2,6, dann 2020 2,5. In diesem Jahr, wo seid ihr da gelandet?

Dr. Markus Preißner: Wir haben die 2,5 jetzt bestätigt. Das ist erstmal nicht schlecht. Also wir sehen insgesamt die über 100 Städte, natürlich tendiert so bei so vielen Städten alles irgendwo in die Mitte herein. Aber wir sehen uns, auch wenn wir uns die Streuung so ein bisschen ansehen, sehen wir schon eine Stabilisierung. Allerdings muss man schon in einer gewissen Habt-Acht-Stellung sein. Wir hatten in den einzelnen Städten bisweilen auch eine Verschlechterung wahrgenommen. Die dann auch, wenn wir jetzt im Dialog mit den Kommunen sind, ja durchaus, wo man gesagt hat: Ja, das verstehe ich. Also das wird von den Leuten dann auch zurückgespielt. Und wenn man das jetzt schwarz auf weiß dann vor Augen hat, ja, das ist dann schon, muss man den Zeigefinger heben und muss sagen: Wir müssen hier wirklich handeln. Und zwar entlang der gesamten Visitor Journey vom Angebot, also über die Leerstandsproblematik, du hast es eben schon mal angesprochen, über die Erreichbarkeitsthemen, die uns seit langer Zeit begleiten, die Aufenthaltsqualität natürlich. Und einige Städte machen es dann besser. Das sehen wir an den Benchmarks und andere Städte machen es dann leider schlechter. Aber die können dann eben von den anderen Städten auf jeden Fall lernen und das sollten sie auch tun.

Frank Rehme: Jetzt gab es ja in der Vergangenheit, so die letzten zwei, drei Jahre, ein sehr großes Programm vom Bundesbauministerium, diese zukunftsfähige Innenstädte und Zentren, ist ja eine Viertel Milliarde Euro an Fördermitteln in Städte geflossen. Kann man sehen an eurer Studie, dass das irgendwo Wirkung gezeigt hat oder fällt das so in den normalen Rahmen mit rein?

Dr. Markus Preißner: Das ist eine spannende Frage, Frank. Also wir haben jetzt die Ergebnisse nicht wirklich verzahnt mit einzelnen Aktivitäten, die vollzogen worden sind. Was wir aber sehen, was wir jetzt auch bei der Anbahnung, beim Aufsetzen, bei der Organisation des gesamten Projekts wieder gesehen haben, dass die Leute viel bewusster damit umgehen. Viel strategischer auch solche Erhebungen durchführen, um dann letztendlich zu sehen: Ja Mensch, wie werden wir eigentlich bewertet? Wie werden wir eigentlich gesehen? Den Spiegel aufzuzeigen. Und das ist eigentlich das Erfreuliche daran, dass auch solche Förderprogramme letztendlich dazu beigetragen haben, das Bewusstsein insgesamt zu verbessern und diesen Mindset-Wandel voranzutreiben. Das haben wir auf jeden Fall schon innerhalb des Prozesses wahrgenommen.

Frank Rehme: Jetzt gibt es ja ein heißes Thema in den Städten immer wieder. Wir reden ja davon, dass wir jetzt hier viel, viel mehr besucherorientierte Innenstädte haben wollen mit Erlebnisflächen und Aufenthaltsqualität und solche Sachen alle. Aber zugleich wollen wir natürlich auch, dass man trotzdem mit dem Auto wunderbar überall hinkommt und das beißt sich ja irgendwo. Jetzt ist dieses Thema autoarme bzw. autofreie Innenstadt ja glaube ich eher so ein deutsches Thema, weil überall, wo ich solche Initiativen beobachte, läuft alles Alarm. Hier in Düsseldorf bei uns oder auch, ich bin ja sehr, sehr viel in Berlin. Wenn ich mir da angucke, was über die Friedrichstraße schon alles an Konzepten ausprobiert wurde, alles halbherzig, nie richtig. Siehst du da irgendwo, dass das mal in Richtung emotionalen Menschen zentrierter geht? Ist ja so, wir kommen in die Innenstadt, die ist autogerecht. Und wenn wir dann aussteigen aus unserem Auto, stellen wir fest: Mensch, was ein Mist, die ist ja autogerecht und nicht menschengerecht. Ist irgendwie komisch.

Dr. Markus Preißner: Ja, es menschelt, es menschelt gerade bei diesen Themen. Und das ist nicht nur so bei denjenigen, die, also alles, wo es sich um Verkehr und Erreichbarkeit dreht. Dort haben wir sehr viel Emotionalität sowohl auf Ebene derjenigen, die die Entscheidung treffen müssen, also aus den Kommunen zum Beispiel selbst, aber genauso auf der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir haben einmal abgefragt, auch das Thema Umgestaltung, autoverkehrsärmere Innenstadt. Und dort sehen wir halt, es gibt Befürworter auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite gibt es dann viele Menschen, ein gutes Drittel, die sagen: Ne, das ist unnötig und überflüssig. Und das findet auch immer wieder statt. Und das ist genau dieses Ding, wir brauchen an der Stelle, das haben wir gelernt, weniger Ideologie. Wir brauchen Pragmatismus. Wir brauchen, ja, wir brauchen Lösungen. Also es bringt jetzt nichts zu sagen, weil die Innenstadt ist ein Wirtschaftsstandort. Ich erinnere mich an unsere große Studie aus dem letzten Jahr, als wir den Wirtschaftsstandort Innenstadt in München untersucht haben. Und genauso ist es in kleineren Städten. Da prallen immer die Leute, die eine grüne und fußgängergerechte Innenstadt haben wollen, die prallen dann auf die Wirtschaft und sagen: Wir brauchen das Auto vor der Tür. Wie du es skizziert hast und wir brauchen den Mittelweg. Also es ist ganz frappierend. Es ist, wenn man die Leute, die Menschen fragt: Was ist die größte Barriere, die dich eigentlich ferner aus den Innenstädten? Das ist Punkt eins, die Erreichbarkeit. Punkt zwei, das hohe Verkehrsaufkommen. Und da sehen wir schon, dass das, ja, wie kriege ich das denn eigentlich gelöst? Also das ist diese Ambivalenz, aber wir brauchen diese Lösungen. Und daran müssen alle Kommunen arbeiten, insbesondere die Innenstädten in den Großstädten. Denn dort wird die Zukunft bestimmt nicht so aussehen, dass wir dort in naher Zukunft oder in weiterer Zukunft alle noch mit dem Auto vor das Geschäft fahren können oder vor die Gastronomie oder was auch immer. Das funktioniert nicht, das funktioniert in Köln nicht, in München nicht, in Düsseldorf nicht, in Berlin nicht, weil unsere Städte einfach viel zu voll sind.

Frank Rehme: Absolut, ist auch meine Erfahrung so. Aber was ich so festgestellt habe, Markus, ist, wir machen auch eine total falsche Kommunikation. Wenn wir mal anschauen, wenn wir über autofreie Innenstädte reden, dann signalisieren wir ja, es wird etwas weggenommen, autofrei. So, und wenn man den Menschen Möglichkeiten nimmt, gehen die auf die Barrikaden. Anstatt, dass wir diskutieren, was man erreichen kann, wenn man richtig schöne Innenstädte mit Aufenthaltsqualität und Erlebnis hat, wenn man diese Vision viel mehr verkaufen würde. Du kannst hier das machen, du kannst das erleben und so weiter. Und dann kommt zufällig hinten bei raus, dafür müssen wir ein bisschen weniger Autoverkehr haben, dann geht man positiv an die Geschichte ran und das ist immer dieses Problem. In Kopenhagen als Beispiel, ich war letztes Jahr, nee, vor zwei Jahren in der Stadt gewesen und ich war vollkommen begeistert. Ich hatte mir auch ein Fahrrad geliehen dann da und bin da durch die Stadt gefahren. Da sind ja Autobahnen mit Brücken und solche Sachen alle. Das ist ja unfassbar, was da für den Fahrradverkehr gemacht wird. Und die sind nie hingegangen und haben gesagt: Wir wollen autofrei werden. Sondern die haben gesagt: Wir wollen, dass du jeden Punkt der Stadt mit dem Fahrrad sehr gut erreichen kannst. Und so hat man eine ganz andere Kommunikation gemacht, genau wie Paris gerade. Da war ich auch vor zwei Jahren und dann habe ich mir angeschaut, was da gerade passiert. Und da geht es ganz anders. Wir müssen jetzt daran arbeiten, dass wir 2040, das ist nicht mehr so lange, eine Innenstadt haben, in der Leben überhaupt möglich ist. Durch den Klimawandel wird das unerträglich heiß in dieser Stadt. Und wenn wir da nicht dran arbeiten, mehr Grünflächen zu schaffen, um die Temperatur runterzukriegen, dann werden wir in dieser Stadt nicht mehr leben können. Das ist eine ganz andere Kommunikation, als wenn wir sagen: Ja wir nehmen jetzt ein paar Autospuren weg und pflanzen da irgendwas hin. Dann hast du sofort alle Bürger auf den Barrikaden.

Dr. Markus Preißner: Absolut.

Frank Rehme: Jetzt aber meine große Frage, Markus, ich meine, diese, die über 100 Städte, die da drin sind, welche haben denn so besonders imponiert? Gibt es da irgendwelche Daten, die ihr veröffentlichen dürft oder Städte, die du hier eventuell nennen darfst?

Dr. Markus Preißner: Ja, im Grunde die Stadtergebnisse, das sind immer die Stadtergebnisse, die gehören den Städten. Aber natürlich haben wir mal bei den Städten, die besonders gut abgeschnitten haben, da fragen wir dann nochmal nach, ob wir den Namen da auch mal nennen dürfen. Und das haben wir auch in diesem Jahr getan. Da sehen wir bei den größeren Städten, das ist Chemnitz, Erfurt, Leipzig vorne mit dabei. Mittelgroße Städte Ahnsbeck, Neheim, Bocholt, Lüneburg haben erfreulich gut abgeschnitten. Und bei den kleineren Kommunen haben wir Freiberg in Sachsen, Brühl, Landsberg am Lech als Mahlstätte, die es auf jeden Fall gut gemacht haben.

Frank Rehme: Ja, und ich kenne, also viele von denen, die du gerade genannt hast, kenne ich und die haben auch eine richtig gute Aufenthaltsqualität da. Also muss ich ehrlich sagen, also kann ich echt nur unterstreichen. Wenn jetzt ein Bürgermeister kommt zu dir und sagt: Mein lieber Markus Preißner, ich will jetzt ein Rezept haben, wie meine Innenstadt besser wird. Gibt es etwas, wo du sagen kannst, das sind die meist genannten Themen, an die man rangehen kann? Ein paar hast du ja gerade schon mal genannt, so in diese Richtung. Aber gibt es irgendwo etwas, wo du das nochmal detaillieren kannst?

Dr. Markus Preißner: Also so Blaupausen gibt es natürlich nicht. Natürlich haben wir jetzt viel gelernt in den Erhebungen, die wir alle zwei Jahren durchführen, in den Projekten, die wir durchführen. Also wir haben schon ein Gefühl, ein Gespür dafür, welche Themen man besonders angehen muss, wie ein Thema wie die Aufenthaltsqualität, da brauchen wir die Stadtentwicklung. Wir sehen aber auch und das ist bei den 10, 15 Maßnahmen, die wir jetzt untersucht haben, war es das erste Mal so, dass das Thema Leerstandsmanagement auf Rang 1 gelistet worden ist. Und da haben die, meines Erachtens die Bürgerinnen und Bürger, die Besucherinnen und Besucher ein richtiges Gespür. Das ist eine der ersten Maßnahmen, die man angehen muss. Und das würde ich auch, würde ich auf jeden Fall einem Bürgermeister in die Hand geben. Gib mir mal die Informationen, hast du die Daten richtig aufbereitet? Können wir, haben wir eine Entscheidungsgrundlage? Und damit würde ich starten und dann so schnell wie möglich in die Umsetzung gehen. Wir sind aktuell, hat man gesagt, in Homburg, wir wollen jetzt mal ein Jugendkonzept auf die Straße bringen. Und helft uns doch mal, wie kann man so was machen? Und da haben wir den ehemaligen Leerstand jetzt mit Nutzung für Jugendliche in der Erprobungsphase mal an den Start gebracht. Das muss einfach mit viel Tempo nach vorne gebracht werden, um dann auch frühzeitig Erfolge zu sehen und zu sehen, ja, wie müssen, in welche Richtung, müssen wir eigentlich nachkorrigieren? Also machen, machen, das ist ja auch dein, das ist ja ein Stichwort für dich, Frank.

Frank Rehme: Ja, genau, richtig. PowerPoints gibt es genug, wir müssen in’s Machen kommen. Aber interessant, das ist auch überall, wo ich unterwegs bin, kommt auch immer das, was du gerade gesagt hast: Leerstände, Brachflächen, sehen nicht schön aus, kann man nicht gut designen und die findet man überall. Ich war jetzt im Januar noch in New York, der untere Teil der 5th Avenue ist auch extrem von Leerstand geprägt, hier auch in Manhattan generell an vielen Stellen. So, aber da gibt es ja auch etwas, wo man mehr Transparenz und vor allen Dingen aber auch gute Vermittlung hinkriegt. Das ist ja vor zwei Jahren entstanden, dieses Projektprodukt LeAn, das ist ja Leerstandsansiedlungsmanagement. So ein Tinder für Innenstädte und für Leerstände in Innenstädten. Kannst du da vielleicht noch mal zwei, drei Wörter von zu sagen, weil ihr wart ja da der Projektträger von dem Ganzen.

Dr. Markus Preißner: Genau. LeAn, das, wo du es jetzt anführst, das würde ich natürlich auch jedem Bürgermeister empfehlen. Da geht es letztendlich darum, eine gemeinsame Informationsbasis zu schaffen, damit sich die Immobilienwirtschaft, die Kommune selbst, die Anbieter von Konzepten auf einer Datenbasis austauschen können, indem man seine Stadt erst mal vermisst, auf Knopfdruck sagen kann, wie hoch ist die Leerstandsquote im Geschäftsbereich XY, wie ist eigentlich mein Nutzungsmix, wen müsste ich kontaktieren, wenn hier bestimmter Leerstand auftritt, wen könnte ich kontaktieren, wenn ein bestimmter Anbieter auf mich zukommt und so weiter und so fort. Also wer LeAn noch nicht kennt, sollte sich das auf jeden Fall mal ansehen. Das ist so ein, ich würde es schon fast als eine Basisanforderung ansehen. Man braucht solche Tools, solche Datenplattformen, um letztendlich ja irgendwie auch steuernd aktiv werden zu können. Ob das jetzt LeAn ist oder eine andere Plattform, ich würde LeAn empfehlen, aber man kann auch was anderes auswählen. Aber man braucht auf jeden Fall diese Datenplattform. Ansonsten, ja, über was unterhalte ich mich dann eigentlich, wenn ich meine eigenen Kennzahlen nicht kenne?

Frank Rehme: Ja, ganz wichtig auch. Also ich kann auch sagen, ich bin begeistert von dieser Lösung und kann echt nur empfehlen, den Hörerinnen und Hörern geht mal auf le, also le-an.de, LeAn, da kriegt ihr mehr Infos drauf. So, und da wir gerade bei Quellen sind: Markus, wo kriege ich denn mehr Infos jetzt über eure Studie?

Dr. Markus Preißner: Ja, mehr Infos. Wir werden jetzt auf jeden Fall nochmal den ein oder anderen Talk durchführen, ob das bei den Stadtrettern ist, ob das bei uns im IFH beziehungsweise ECC Köln ist. Und ihr könnt euch natürlich, wir haben in diesem Jahr sind wir auch mal hingegangen, haben gesagt: Wir geben, haben zwei Varianten gebastelt der Studie, die ihr euch runterladen könnt. Also eine kostenfrei und die andere kostenpflichtig. Wobei das Paket, was wir für die kostenfreie Variante auf unserer Seite www.IFHköln.de euch an die Hand geben, ist schon recht groß. Und wenn ihr Interesse daran habt, dann stelle ich euch die Ergebnisse natürlich auch in euren Kommunen sehr gerne vor mit euren Stakeholdern. Denn das sehen wir immer wieder, das ist ein wichtiger Punkt. Bringt die Leute zusammen, lasst uns darüber sprechen, was sind eigentlich Entwicklungen rund um das Thema Innenstadt und gerne nehmen wir euch mit an die Hand und nehmen das in Angriff.

Frank Rehme: Ja, Markus, jetzt noch einen kleinen Ausblick. Es gibt ja die LeAn-Studie in zwei Jahren wieder, die LeAn-Studie sag ich schon. Es gibt die Studie Vitale Innenstädte in zwei Jahren wieder. Kleinen Ausblick, gibt es schon irgendetwas, wo ihr da Dinge anders macht oder weiterentwickelt oder so? Oder habt ihr da noch keine Planung aufgenommen?

Dr. Markus Preißner: Doch, wir sind ja fortlaufend dran. Also Wünsche und Vorstellungen haben wir viele. Wir werden unser Leistungsportfolio an der Stelle auch erweitern, werden neben der Passantenbefragung auch Online-Befragungen anbieten. Das machen wir heute auch schon, haben wir auch in diversen Städten schon gemacht. Bin entsprechend froh, dass wir auch dieses Jahr das erste Mal in der Schweiz unterwegs waren mit den ersten Städten. Genau und das gewohnte Qualität zum fairen Preis, das ist das, was die Vitalen Innenstädte eigentlich immer wieder auszeichnet. Darum werden wir festhalten und werden aber weitere Ergänzungen vornehmen, um das Paket so praxistauglich, so anwendungsorientiert wie möglich für euch zu gestalten.

Frank Rehme: Ja, dann schauen wir in Richtung Zukunft und die, die alle wissen wollen, wie gesagt, IFHköln.de, ob ihr das mit OE oder mit Ö schreibt, ist egal dabei. Und da könnt ihr weitere Infos kriegen. Und natürlich findet man den Markus gut bei LinkedIn auch mit seinem Profil und kann auch dort dann Kontakt zu ihm aufnehmen.

Dr. Markus Preißner: Sehr gerne.

Frank Rehme: Ja, Markus, vielen Dank an der Stelle für die Insights dazu. Und ich drücke die Daumen, dass, diesmal waren 107 Städte dabei, dass wir immer mehr Städte mit hereinkriegen. Denn ich glaube, dieses Bild braucht Deutschland von den Innenstädten, um zu sehen, an welchen Ecken man den Griff dran schrauben muss.

Dr. Markus Preißner: Absolut. Vielen Dank, Frank, hat mich sehr gefreut. Ja, und dann alle Zuhörenden, ich, meldet euch bei mir, ich stehe bereit.

Outro: Die Stadtretter – Der Podcast

Team Stadtretter

GEMEINSAM STANDARDS SCHAFFEN! Austauschen, adaptieren, voneinander lernen und in die gleiche Richtung gehen.

Recent Posts

Lünen macht Leerstände zum Rätselspaß für die ganze Familie

Lünen macht Leerstände zum Rätselspaß für die ganze Familie! Wie können Städte Leerstände kreativ nutzen… Read More

1 Woche ago

Hanau aufLADEN – Ein Erfolgsmodell für die Zukunft der Innenstadt

Verkaufsoffener Sonntag am 7. Mai 2024: Sandskulptur und Wettbewerb, Murmiland im Stadtmuseum und 40 Geschäfte… Read More

2 Wochen ago

WebTalk: Vitale Innenstädte 2024

DAS neue Werkzeug für Innenstadtmanagement steht bereit, um Innenstadtmanager:innen zu unterstützen, fundiert Strategien zu entwickeln… Read More

2 Wochen ago

„We kehr for Schlüchtern“ in allen Stadtteilen

In Schlüchtern findet am jedes Jahr im Frühjahr die große Gemeinschaftsaktion „We kehr for Schlüchtern“… Read More

3 Wochen ago

Stadtretter-Podcast #19 – “EMMA – Die KI, die Automatisierung für alle möglich macht”

In diesem Podcast erfahrt ihr mehr von Christian Bulka (WIANCO OTT Robotics GmbH): Darüber wie… Read More

2 Monaten ago

WebTalk: Kommunale Wärmeplanung transparent mit Bürgerbeteiligung gestalten

Wie Bürger:innen aktiviert und motiviert werden, sich zu beteiligen und wie die Verwaltung gestärkt werden… Read More

2 Monaten ago

This website uses cookies.